ANTIKE UHREN & ANTIQUITÄTEN
HANS-MARTIN JUNG
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G. Boley, Werkzeugfabrik Esslingen a. N.

Die weltberühmte Firma G. Boley wurde 1870 gegründet und hatte ihren Sitz in Esslingen am Neckar. G. Boley baute eine breite Palette von Präzisionswerkzeugmaschinen aller Art, von Spezialwerkzeugen für Kleinuhrmacher bis zu großen Dreh - und Fräsmaschinen. Die Firma Boley & Leinen wird oft mit G. Boley verwechselt, war aber eine eigenständige Firma die der ehemaliger Mitarbeiter von G. Boley Josef Leinen 1905 gründete und die bis 1986 bestand.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kamen alle Uhrmacherwerkzeuge fast ausschließlich aus der französischen Schweiz, die die ganze Welt mit Präzisionswerkzeugen belieferte. Mit Beginn der industriellen Revolution entstanden um 1850 in ganz Deutschland Uhrenfabriken und industrielle Betriebe und damit wuchs auch die Nachfrage nach Maschinen und Werkzeugen. Während der Gründerzeit 1870 erreichte diese Entwicklung dann ihren Höhepunkt. Einige Beispiele dafür sind: Adolf Lange gegr. 1845, Gustav Becker 1850, Lenzkirch 1851, Junghans 1861.
Gustav Adolf Boley (geb. 20.6.1835 in Köngen, gest. 2.2.1891 in Esslingen) der in Stuttgart eine Uhrmacherlehre absolvierte, arbeitete zunächst in Ulm und ging dann 1859 in die Schweiz nach St. Gallen und Zürich. 1861 übernahm er in La Chaux-de-fonds eine Firma für Uhrmacherzubehör. Nach einigen Jahren kehrte er nach Deutschland zurück und begann zunächst mit der Fabrikation von Taschenuhren. Im Jahre 1870 errichtete er in Esslingen auf den ehemaligen Gartenparzellen außerhalb der Stadtmauer einen Betrieb zur fabrikmäßigen Herstellung von "verbesserten Uhrmacherwerkzeugen" und damit die erste Uhrmacherwerkzeugfabrik in Deutschland. Im Jahre 1875 wurde der erste "Drehstuhl" (wie man damals die Uhrmacherdrehmaschine nannte) produziert. Doch schon bald erkannte Gustav Boley, dass der damalige Entwicklungsstand der Werkzeugmaschinen den Anforderungen zur Herstellung seiner präzisen Werkzeuge nicht genügte. So entwickelte er eigene Werkzeugmaschinen, die so erfolgreich waren, dass er seinem Betrieb eine Abteilung zur Herstellung von Werkzeugmaschinen angliederte und damit den Grundstein für die Fertigung von Präzisionswerkzeugmaschinen legte. 1885 erhielt er das Patent für eine neuartige Revolverdrehmaschine. Mit der Expansion der Firma wurde schon früh der Export ins Ausland ausgebaut. Nach dem Tod von Gustav Boley 1891 führte seine Witwe Elisa Boley zunächst das Unternehmen als alleinige Gesellschafterin weiter. 1902 wurden der älteste Sohn Willi Boley und der langjährige Mitarbeiter Josef Leinen Teilhaber der Firma. 1904 schied Josef Leinen nach Firmen internen Problemen aus und gründete 1905 eine eigene Firma, die zunächst unter dem Namen Leinen firmierte und sich später Boley & Leinen nannte. 1905 traten der Diplomingenieur Paul Pfleiderer und 1912 Hans Gustav Boley der zweite Sohn des Gründers als Teilhaber hinzu. Die nachfolgenden Generationen dieser drei Stämme führten später das Unternehmen fort. Die Firma G. Boley bekam in ihrer Geschichte viele Auszeichnungen und besaß Patente in ganz Europa.
Neben den Kleindrehmaschinen waren auch die Mechanikerdrehmaschinen der Reihen 3 und 4 besonders beliebt. Diese hervorragend konstruierten und solide gebauten Präzisionsmaschinen hatten eine elegante Form und durch die große Palette von Zubehör waren sie für Uhrmacher und Feinmechaniker besonders geeignet.
In den 30-er Jahren entwickelte sich die Firma dann zum führenden Hersteller von Uhrmacherwerkzeug in Deutschland. Im Laufe der Jahre wurde die Fabrik immer mehr erweitert und mit der Entwicklung neuer Produkte wurden auch neue Fertigungsanlagen erstellt. Diese bauliche Entwicklung ist auf dem Firmengrundstück, wo sich Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, Industriebauten aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts und die sog. "Neubauten" aus den 50-iger und 60-iger Jahren des 20. Jahrhunderts befinden, auch heute noch ablesbar. Zwei der sich auf dem Firmenareal befindlichen Gebäude stehen heute sogar unter Denkmalschutz. Während des zweiten Weltkrieges blieb Esslingen wie durch ein Wunder weitgehend von Zerstörungen verschont, obwohl dort viele bedeutende Industriefirmen angesiedelt waren.
Nach dem Krieg profitierte die Firma Boley vom allgemeinen Wirtschaftsaufschwung und erreichte in den 50-er und 60-er Jahren ihre Blüte. Neue Modelle wie zum Beispiel der Feindrehstuhl F1, der 1950 als Patent angemeldet wurde, waren bei den Uhrmachern besonders beliebt. Diese kleine Präzisionsdrehmaschine hatte einen extrem ruhig laufenden Motor und ein besonders solides Chassis. Durch die bewährte WW Wange konnte man das gesamte Boley Zubehör verwenden. Bis heute ist der Feindrehstuhl F1 deshalb das non plus ultra in der Uhrmacherei. 1970 feierte die Firma ihr 100-jähriges Bestehen. Ende der 70-er Jahre kam die Uhrenindustrie in ganz Europa in eine schwere Krise. Ursachen dafür waren die Ölkrise und die Konkurrenz aus Asien. Die Entwicklung der billigen Quartzuhren brachte auch die Uhrenindustrie in der Schweiz in Schwierigkeiten und viele Betriebe mußten aufgeben. Mechanische Uhren wurden zu Ladenhütern und die Quartzuhren eroberten den Markt.
G. Boley produzierte jetzt vorallem Werkzeugmaschinen für die Industrie. 1976 verkaufte Boley seine ersten CNC-Drehmaschinen. 1985 erreichten die computergesteuerten Werkzeugmaschinen bereits drei Viertel des Umsatzes. 1992 übernahm die Citizen Machinery Europe, 1886 gegründet und eine 100 prozentige Tochter der japanischen Citizen Watch Co. Ltd, die Boley GmbH in Esslingen. Citizen konnte sich dadurch einen europäischen Produktionsstandort schaffen. Die Citizen Machinery & Boley GmbH (CMB) wurde am 1.1.2003 gegründet und ging aus der Fusion zwischen der Boley GmbH und Citizen Machinery Europe GmbH hervor. Der Hauptzweck der Firma lag in der Entwicklung, der Konstruktion und dem Vertrieb von CNC-Drehmaschinen sowie der dazugehörigen Serviceleistungen. Die Produkte wurden sowohl am Standort Esslingen hergestellt wie auch von der Konzernmutter Citizen Watch Co. Ltd. aus Japan bezogen. Die Produktion am Standort Esslingen beschränkte sich auf die Endmontage bzw. den Zusammenbau der Maschinen. Die dazu notwendigen Einzelteile und Komponenten wurden aus Japan wie auch von lokalen Zulieferern bezogen. Neben der Montage von Neumaschinen wurden die aus Japan importierten Maschinen modifiziert und auf den europäischen Markt angepasst. CMB beschäftigte am Standort Esslingen ca. 80 Mitarbeiter, davon waren ca. 20 Mitarbeiter in der Produktion tätig. Die Mehrzahl arbeitete in Vertrieb, Service, Entwicklung/Konstruktion und in der Logistik. Der Hauptabnehmermarkt für CMB war Deutschland und das europäische Ausland. Esslingen war der einzige Produktionsstandort für Werkzeugmaschinen der Citizen Watch Co. Ltd. in Europa. Im Jahre 2003 erwirtschaftete CMB einen Umsatz von 36,7 Mio. € mit ca. 290 verkauften Maschinen. Davon wurden 95 Maschinen in Esslingen produziert. Für 2004 wurde ein Umsatz von 47 Mio. € angestrebt, das entspricht ca. 360 Maschinen, 170 Maschinen wurden dabei in Esslingen produziert.
Im Zuge von Umstrukturierungen der Konzernmutter Citizen, verschwand 2008 der berühmte Name Boley dann endgültig aus dem Firmennamen. Die Firma heißt jetzt Citizen Machinery Europe. In Esslingen werden keine Maschinen mehr produziert. Stattdessen sollen Vertieb, Service und Entwicklung ausgebaut werden und die angelieferten Maschinen aus Japan und Thailand an europäische Standards angepasst werden. Citizen Machinery Europe GmbH ist heute Weltmarktführer von CNC Langdrehautomaten.
Damit endet nach 138 Jahren die Geschichte der weltberühmten Werkzeugfabrik G. Boley, doch ihre Präzisionsmaschinen werden auch noch in ferner Zukunft den Uhrmachern in aller Welt treue Dienste leisten!

Quellen: G. Boley Kataloge und Firmenschriften, Citizen Machinery Europe GmbH, Esslinger Zeitung, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg.
Werbeschrift der Firma G. Boley von 1894.
Die Firma erhielt im Laufe der Firmangeschichte viele Medaillen und Auszeichnungen für ihre hervorragenden Erzeugnisse. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Hans-Heinrich Schmid, Lexikon Der Deutschen Uhrenindustrie 1850-1980)
Werksgelände der Firma G. Boley um 1970. Man sieht hier die Neubauten aus den 60er Jahren.
Ausstellungsraum der Firma G. Boley mit sämtlichen Maschinen und Werkzeugen.
Fabrikmarken
Die Firma G. Boley verwendete in ihrer Geschichte verschiedene Markenzeichen. Am Anfang befand sich auf den Maschinen das G. Boley Zeichen, oft mit dem Zusatzbuchstaben E für Esslingen. Nach dem Tod des Firmengründers verwendete man die Marke FF Boley für Boley Nachfolger. Später entstand dann das berühmte Boley Logo mit den Bögen beim B und Y. Auf den Werkzeugen befindet sich in der Regel der Schriftzug G. Boley Germany. Das Boley Logo kommt in verschiedenen Formen und Farben vor, hier eine kleine Auswahl. Die einzelnen Maschinenteile sind jedoch im Gegensatz zum Zubehör nicht alle gemarkt.
G. Boley Uhrmacherwerkzeuge
G. Boley Uhrmacherwerkzeuge sind außergewöhnlich zuverlässig und stehen für allerhöchste Präzision. Der Korpus der Drehmaschinen und Triebnietmaschinen ist aus massivem Stahlguß. Die Spindel der Drehmaschinen ist aus Sonderstahl gefertigt, an den Lagerstellen gehärtet, geschliffen und geläppt. Sie läuft in gehärteten Lagern und ist nachstellbar. Die Drehbankteile wurden zusätzlich fein vernickelt und poliert um eine Rostbildung zu verhindern. Die meisten Verbindungen der Einzelteile wurden mit einem Konus ausgeführt. Durch diese geniale Bauart benötigte man weniger Teile und erreichte bei Drehteilen einen optimalen Rundlauf. Bei der Konstruktion der Maschinen wurde auch besonders viel Wert auf optimale Handhabung gelegt. Die Maschinen von G. Boley sind dadurch für die praktische Anwendung im Uhrmacherbereich besonders geeignet und gesucht. Bei guter Pflege leisten die Werkzeuge von G. Boley in vielen Uhrmacherwerkstätten ihren Dienst über Generationen.
Weitere Informationen im Katalog Drehstühle und Werkzeuge für Uhrmacher Udef 14 a 84.2, siehe Bücher/Technikbücher.
Wangenformen
Die Wangen bei G. Boley Uhrmacherdrehmaschinen haben verschiedene Formen. Die frühen Wangen hatten die Form eines Dreikant-Prismas, später die eines Rund-Prismas. Weitere Wangenformen waren die D Wange (Genfer Wange) für die kleineren Drehmaschinen und die M und WW Wange für größere Modelle. Bei der WW Wange ergibt sich durch die außen liegenden Laufflächen eine besonders stabile und präzise Führung des Spindelstocks. Andere Hersteller verwendeten ähnliche Wangenformen, jedoch mit anderen Winkeln.

DP Wange Dreikant-Prisma
RP Wange Rund-Prisma, 1892 patentiert
D Wange (Genfer Wange) Ø 20 mm
M Wange Ø 46 mm
WW Wange Ø 46 mm, Winkel der äußeren Führungsfläche 120°
Spannzangen
Die Spannzangen von G. Boley gab es in vielen verschiedenen Formen und Größen. Die normalen Spannzangen, die sogenannten Amerikanerzangen gab es mit einer Bohrung von 2 bis 70 Zehntel Millimeter. Daneben gab es noch die sogenannten Stufenspannzangen und einige Sonderspannzangen. In der Tabelle sind die Maße und Gewinde aufgelistet. Da jeder Hersteller andere Anzugsgewinde verwendete, kann man die Spannzangen nicht ohne weiteres untereinander austauschen obwohl sie die gleiche Schaftgröße haben. Es wird deshalb empfohlen nur original G. Boley Spannzangen zu verwenden.
Präzisions-Drehstuhl
Der Präzisions-Drehstuhl fand vorallem im Kleinuhrenbereich seine Anwendung. Er war sehr variabel durch seine auswechselbare Wange und das umfassende Zubehör. Für den Antrieb verwendeten die Uhrmacher einen Universalmotor, den sie in der Werkstatt auch für andere Zwecke einsetzen konnten. Die Klemmeinrichtung des Supports wurde 1907 patentiert.
D Wange (Genfer Wange) Ø 20 mm
Spindelbohrung 8 mm
Spitzenhöhe 45 mm
Wangenlänge 260 mm
Feindrehstuhl F1
Der Feindrehstuhl F1 wurde 1950 patentiert und ist für den Kleinuhrenbereich am besten geeignet. Seine Vorteile sind der Schwerfuß mit schwenkbarer WW Wange und der integrierte Motor. Dadurch erreicht er eine unübertroffene Solidität und Präzision. Außerdem war eine Vielzahl von Zubehör für jeden Anwendungsbereich lieferbar. Bis heute ist er deshalb bei Uhrmachern und Sammlern sehr gesucht.
WW Wange Ø 46 mm
Spindelbohrung 8 mm
Spitzenhöhe 50 mm
Wangenlänge 280 mm
WW-Drehstuhl "Amerika"
Der WW-Drehstuhl Amerika eignet sich für den Kleinuhrenbereich und war vor allem in USA sehr beliebt. So beliebt, daß viele andere Hersteller ihn nachbauten. Im übrigen setzte G. Boley viele Standards im Uhrmacherwerkzeugbau die von anderen übernommen wurden.
WW Wange Ø 46 mm
Spindelbohrung 8 mm
Spitzenhöhe 50 mm
Wangenlänge 280 mm
Kleine Präzisionsdrehmaschine Typ 1 B
Die Präzisiondrehmaschine Typ 1 B mit längerem Bett war vorallem für den Großuhrenbereich geeignet.
WW Wange Ø 46 mm
Spindelbohrung 8 mm
Spitzenhöhe 50 mm
Spitzenweite 200 mm
Bettlänge 400 mm
Kleine Präzisionsdrehmaschine Typ 1 HM / HME
Die Präzisiondrehmaschine Typ 1 HM/HME mit langem Bett und stärkerem Motor war vorallem für den Großuhrenbereich gut geeignet. Da die Drehmaschinen F1, WW und Typ 1 die gleiche Spitzenhöhe und Wangenform haben ist das umfangreiche Zubehör universell anwendbar. In die Spindelbohrung von 8 mm passen bei allen Maschinen die gleichen Spannzangen. Lieferbar waren die Größen 2 bis 70, d.h. 0,2 bis 7,0 mm Bohrung in 0,1 mm Stufen. Außerdem noch eine Vielzahl von Stufenspannzangen und andere.
WW Wange Ø 46 mm
Spindelbohrung 8 mm
Spitzenhöhe 50 mm
Spitzenweite 200 mm
Bettlänge 400 mm
Kleine Feinbohrmaschine BE 2
Die Feinbohrmaschine BE 2 war für feinste Bohrungen konzipiert. Durch die feststehende Spindel und den Hebetisch entstehen keinerlei Schwingungen.
Bohrleistung in Stahl 2,5 mm
Bohrleistung in Messing 4,0 mm
Bohrfutter spannt 0 - 5,0 mm
Bis 9000 U/Min
Triebnietmaschine 173 gx
Die Triebnietmaschine von G. Boley stand in jeder Uhrmacherwerkstatt. Sie ist die präziseste und robusteste von allen und war deshalb so beliebt. Mit der Ausführung mit Steinpressvorrichtung konnte man auch die Lagersteine ersetzen und die Bohrungen ausreiben. Die Maschine konnte mit allen Punzen mit 4,7 mm Durchmesser benutzt werden. Boley setzte dafür den Standard und gab allen Punzen eine Nummer. Bis heute gehört sie zu den Standardwerkzeugen im Uhrmacherhandwerk.
Parallelschraubstock C30-C150
Die Parallelschraubstöcke von Boley sind an Präzision und Robustheit nicht zu überbieten. Durch die Schwalbenschwanzführungen laufen die Backen absolut parallel. Die Backenbreiten reichten von 30 bis 150 mm. Die Spannweiten von 22 bis 220 mm. Die Schraubstöcke C50 bis C80 gab es mit Bügel. Die Backenbreiten C60, C100 und C125 gab es mit einem drehbaren Sockel.
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